ELECTRIC WOW / 10.02.2025.
EV-Clinic-Gründer Katic: "Entscheidungen, die die Nachhaltigkeit gefährden"
Posted by: Kevin Kada
Wenn man auf das Grundstück der EV Clinic am Stadtrand der kroatischen Hauptstadt Zagreb kommt, würde man nicht vermuten, dass es sich hier um eine der innovativsten Werkstätten in Europa handeln würde. Eines fällt gleich auf: Auf dem Hof stehen nur E-Fahrzeuge – darunter auch Modelle, die man bei uns kaum bis gar nicht kennt. In der Werkstatt wird man von Vanja Katic begrüßt, CEO der EV Clinic. Im Interview erzählt er, wie es dazu kam, eine E-Auto-Werkstatt zu gründen, welche Tools er selbst entwickelt hat und warum es mehr Nachhaltigkeit in der (E-)Auto-Industrie braucht.
Können Sie zunächst erklären, wie es überhaupt zur EV Clinic kam?
Vanja Katic: Ich habe bereits mit 15 Jahren mit der Reparatur von Elektronikplatinen angefangen. Später habe ich Robotik und Automatisierung studiert, und ab 2009 arbeitete ich für ein slowenisches Unternehmen, das sich auf den Austausch von Ausstattung in Autos spezialisiert hat. Das war mein erster Kontakt mit der Automobilbranche. 2011 begann ich dann, mit E-Fahrzeugen zu arbeiten. Es war am Anfang eher ein Hobby – ich half einem Mechaniker, verschiedene Autos mit diversen Problemen zu reparieren. Im Laufe der Jahre investierte ich dann in Diagnosewerkzeuge und habe intensiver mit der Reparatur von Elektrofahrzeugen auseinandergesetzt.
2011 war noch lange nicht davon die Rede, dass E-Autos die Zukunft sind. Da waren sie eher Exoten und Nischen-Erscheinungen. Warum kam es dann zur Spezialisierung?
Es hat eine Zeit gedauert. 2019 habe ich mich dann so richtig intensiv damit begonnen, mich mit Tesla auseinanderzusetzen. Ich hatte das Gefühl, dass es in diesem Bereich ein großes Informationsvakuum gab. Es gab einfach keine Diagnosewerkzeuge oder Informationen, die zugänglich waren. Also habe ich mir meinen eigenen Tesla gekauft und damit angefangen, ihn auseinanderzunehmen, um zu verstehen, wie man Probleme beheben kann. Ich investierte auch in die Forschung von Tesla-Teilen, insbesondere im Bereich der Klimaanlagenkompressoren und der Elektronik. Im Laufe der Zeit wuchs mein Wissen und ich begann, Reparaturen und Anpassungen durchzuführen, die ich dann auch anderen Tesla-Besitzern anbot.
Also haben Sie eigentlich als Tesla-Werkstatt gestartet?
Nein, denn ich habe mich nicht nur auf Tesla beschränkt. Im Laufe der Jahre habe ich auch viel in die Reparatur anderer Elektrofahrzeuge wie den Renault Zoe, den Smart Fortwo, den Nissan Leaf und viele andere investiert. Jedes dieser Fahrzeuge hat seine eigenen Herausforderungen, vor allem im Bereich der Batterie und der Elektronik. Besonders bei Fahrzeugen wie dem Smart oder dem Renault Zoe ist die Reparatur oft sehr komplex und teuer.
Apropos teuer. E-Fahrzeug-Reparaturen zählen zu den teuersten Reparaturen. Wohl auch, weil in den meisten Fällen ganze Komponenten ausgetauscht werden und nicht wirklich die Ursache des Problems behoben wird. Sie haben da einen anderen Ansatz?
Ich will reparieren und nicht einfach austauschen. Denn erst dann sind E-Autos wirklich nachhaltiger als Verbrenner. Es geht nicht nur um den Betrieb der Fahrzeuge, sondern auch die Reparaturen. Ein Beispiel: Ich hatte ein Fahrzeug, bei dem hätte die Reparatur laut OEM etwa 30.000 Euro gekostet. Es hätte das gesamte Batteriepack ausgetauscht werden müssen und hinzu wären noch ein paar andere Komponenten gekommen, die man ebenfalls hätte austauschen müssen. Dabei gab es im Batteriepack nur eine schadhafte Komponente, die ich ausgetauscht habe und die gesamte Reparatur hat unter 1.000 Euro gekostet. Und genau das muss das Ziel sein. E-Autos müssen reparabel sein, doch die OEMs sind die meiste Zeit nicht daran interessiert und bauen die Fahrzeuge teilweise so, dass man sie nur mit extrem großem Aufwand reparieren kann – wenn man nicht zuvor sehr viel selbst investiert hat, um zu wissen, wie es geht.
Hat sich die Qualität der Fahrzeuge in den vergangenen Jahren verbessert?
Es gibt definitiv Verbesserungen, vor allem bei den Batterien. Die Qualität der Batteriepacks hat sich deutlich gesteigert, sie sind zuverlässiger und langlebiger geworden. Auch die Steuerungsbauteile und Kabelbäume sind robuster. Was jedoch auffällt, ist, dass die ersten Modelle von Elektrofahrzeugen, wie der erste Volkswagen e-Up oder der erste Smart 451, eine bessere Qualität hatten als die neueren Modelle. Es gibt auch Unterschiede bei den Hybriden – diese haben oft Probleme mit ihren Batterien, und die Qualität dieser Komponenten nimmt ab.
Wie sehen Sie die Entwicklung des E-Auto-Marktes und vor allem jene bei den Reparaturen?
Der Markt für Elektrofahrzeuge wächst rasant, und mit jedem Jahr kommen mehr Autos nach Ablauf der Garantie in die Werkstätten. In Europa explodiert die Zahl der Elektrofahrzeuge, und das bedeutet, dass die Nachfrage nach spezialisierten Reparaturdiensten ebenfalls wächst. Unsere Werkstatt hat derzeit die Kapazität, zwischen 50 und 100 Autos pro Monat zu bedienen, aber wir sehen, dass die Anzahl der Fahrzeuge auf dem Markt exponentiell zunimmt. Das bedeutet, dass es nicht genug spezialisierte Werkstätten wie unsere gibt, um den gesamten Bedarf zu decken. Der Markt ist riesig, und wir müssen uns darauf vorbereiten, mehr zu tun, um mit diesem Wachstum Schritt zu halten.
Das spiegelt sich ja auch in ihren Kunden. Wenn man bei Ihnen auf dem Hof einen Rundgang macht, dann sieht man Kennzeichen aus fast ganz Europa. Selbst aus Schweden kommen Kunden zu Ihnen nach Kroatien. Wäre es nicht Zeit für eine Expansion?
Das ist vollkommen richtig und wir haben tatsächlich Pläne für den deutschsprachigen Markt. Unter anderem auch Österreich. Aber gerade dort gibt es einige Herausforderungen, besonders was die Bürokratie betrifft. Österreich scheint noch ein wenig hinterherzuhinken, wenn es um die Akzeptanz und Entwicklung von Elektrofahrzeugen geht. Es gibt viele Hürden, um dort eine Werkstatt für Elektrofahrzeuge zu eröffnen, aber wir sind zuversichtlich, dass wir diese Hürden überwinden können. Wir müssen uns jedoch gut vorbereiten, denn der Markt in Europa wächst schnell, und wir wollen darauf vorbereitet sein.
Was sind die größten Herausforderungen für einen Standort in Österreich?
Wie gesagt, das ist sicher die Bürokratie. Es gibt extrem viele Auflagen und Anforderungen, die man erfüllen muss, um in Österreich mit E-Fahrzeugen zu arbeiten. Das ist in vielen Punkten gut so, denn die Arbeit mit E-Fahrzeugen kann kompliziert sein. Ein weiterer Punkt ist die Situation mit den Geschäftslokalen. Wir haben da schon eine schlechte Erfahrung gemacht, weil die Vermieter oft sehr unflexibel sind und vorab sehr viel Geld wollen.
Und trotzdem arbeiten Sie bereits mit einem österreichischen Unternehmen zusammen, richtig?
Korrekt, seit kurzem arbeiten wir mit Evalus zusammen, um Schulungen für E-Fahrzeuge auf die Beine zu stellen und auch eine Art von Academy zu etablieren, wo sich Werkstätten und Techniker Infos holen können, damit sie bestimmte Reparaturvorgänge durchführen können. Wir wollen ein Netzwerk aufbauen, in dem Werkstätten miteinander in Kontakt bleiben können, Unterstützung finden und sicherstellen, dass sie immer die richtigen Teile und Lösungen haben. Wir wollen nicht nur als Trainer fungieren, sondern auch als langfristiger Partner für diese Werkstätten, damit sie mit den Herausforderungen der Elektrofahrzeugreparatur besser umgehen können.
Und in weiterer Folge, Sie haben es ja bereits erwähnt, soll die EV Clinic als eine Art von Franchisesystem etabliert werden. Wie wird das funktionieren?
Jemand, der ein Franchisepartner werden möchte, kommt zu uns, und wir schauen uns an, ob er die Werkstatt und die nötigen Mitarbeiter hat. Aber er braucht auch das richtige Schulungsprogramm. Das ist ein wichtiges Element. Wir bieten eine Top-Schulung, die umfangreich und nicht einfach zu absolvieren ist. Es dauert etwa vier Wochen in mehreren Blöcken. Zu Beginn geht es um alle Reparaturen, außer jenen von Batterien. Wenn jemand allerdings schon Erfahrung mit Batterien hat und sich darauf konzentrieren möchte, bieten wir auch diese Möglichkeit an. Wir stellen zudem sicher, dass alle Reparaturen und Schritte dokumentiert sind. Nach der Schulung hat der Franchisepartner Zugang zu allen Unterlagen, Bildern und detaillierten Anleitungen zu jedem Schritt. Wenn es in der Werkstatt zu Problemen kommt, können sie jederzeit unseren Support kontaktieren. Sollte ein Problem auftauchen, das noch nie zuvor gesehen wurde, entwickeln wir gemeinsam eine Lösung.
Also soll daraus eine richtige Gemeinschaft werden?
Genau das ist der Punkt. Wir arbeiten zusammen und lernen voneinander. Wenn neue Probleme auftauchen, entwickeln wir Lösungen, weil immer mehr neue Modelle auf den Markt kommen. Und das bringt neue Herausforderungen mit sich. Es gibt Unterschiede zwischen Marken wie Tesla und Volkswagen und auf der anderen Seite Fahrzeuge von chinesischen Marken. Manche sind schwieriger zu bearbeiten als andere, aber die chinesischen Marken sind einfach viel offener und flexibler.
Was macht chinesische Fahrzeuge so besonders in der Werkstatt?
Sie haben ein sehr zugängliches System. Es ist einfach, die Teile zu bekommen, sogar für spezialisierte Komponenten wie Sicherungen oder das Batterie Management System. Und sie sind viel offener im Vergleich zu den europäischen OEMs. Tatsächlich kann man den CEO eines chinesischen Unternehmens anrufen und um Teile bitten, die er einem dann auch schickt. Das ist bei den großen europäischen Marken wie Volkswagen oder Porsche nicht möglich. Bei denen ist es oft nur möglich, das komplette System zu kaufen, was eben wiederum nicht nachhaltig ist.
Das klingt so, als ob die chinesischen OEMs mehr auf Nachhaltigkeit schauen würden?
Auf jeden Fall. Die Chinesen sind viel nachhaltiger. In Europa ist der Markt überreguliert, und die Hersteller tun wenig, um das zu ändern. Die europäische Automobilindustrie hat es schwer, wettbewerbsfähig zu bleiben, weil alles so stark reguliert ist. Der OEM ist in Europa zu einem Monster geworden, besonders bei Konzernen wie Stellantis oder Volkswagen. BMW ist da die Ausnahme. Die europäische Automobilindustrie ist in dieser Hinsicht nicht nachhaltig. Man kann bei vielen Herstellern keine Ersatzteile für komplexe Systeme kaufen – man muss das komplette System kaufen, was die Reparaturen teuer macht und unnötig kompliziert. Das ist ein großes Problem. Die chinesischen Hersteller hingegen bieten eine viel nachhaltigere Lösung, indem sie sicherstellen, dass die Reparaturen einfacher und kostengünstiger sind.
Was braucht es, damit die Situation in Europa besser wird?
Die Beziehung zwischen den Herstellern und der Öffentlichkeit muss sich ändern. Der chinesische Markt wird immer stärker, und die deutschen Automobilhersteller könnten irgendwann völlig von den Chinesen überholt werden, wenn sie nicht reagieren. Tesla ist bereits ein gutes Beispiel für einen Hersteller, der besser funktioniert als viele europäische Marken. Aber die Öffentlichkeit hört oft nur das Gegenteil. Sie glauben, dass Tesla schlechte Qualität bietet. Aber wenn man sich mit den Fahrzeugen beschäftigt und sie in der Werkstatt stehen hat, dann sieht man, dass es ganz anders ist, als einem vermittelt wird.
Wenn man die EV Clinic auf Social Media beobachtet, dann ecken Sie gerne bei OEMs an. Wenn da ein Teil oder ein ganzes Fahrzeug Probleme macht, dann sagen Sie das auch sehr deutlich. Reagieren die Hersteller darauf?
Ich habe tatsächlich oft direkten Kontakt mit den Ingenieuren der einzelnen Hersteller. Es gibt eine offene Kommunikation, was gut ist. Und in diesen Gesprächen findet man dann auch oft Lösungen für Probleme und oft bekomme ich dann auch die Ersatzteile, die ich brauche, um eine Reparatur zu ermöglichen. Aber ein großes Problem bei den europäischen Herstellern ist, dass sie häufig nur Geschäftsentscheidungen treffen, die die Nachhaltigkeit der Fahrzeuge gefährden.
Das klingt, als ob Sie viel Einfluss in der Branche hätten?
Es geht nicht um Einfluss, sondern um das richtige Feedback. Wenn man ein Problem sieht, muss man es ansprechen und Lösungen finden. Aber oft werden die echten Probleme nicht öffentlich gemacht, weil viele Journalisten im Automobilbereich nur nette Dinge sagen, um nicht die Beziehung zu den OEMs zu gefährden. Ich versuche, das zu ändern und darauf hinzuweisen, wo die Hersteller Verbesserungen vornehmen müssen. Und darum sage ich auf Social Media auch, was Sache ist. Wenn etwas scheiße ist, dann sag ich es auch.
Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft des europäischen E-Auto-Marktes?
Ich hoffe, dass die Hersteller aus den Erfahrungen lernen und dass wir ein besseres und nachhaltigeres System entwickeln können. Die OEMs sollten das Feedback sehen, dass wir in der Werkstatt bekommen, und es nutzen, um ihre Produkte zu verbessern. Wenn sie das tun, wird die Branche insgesamt besser und nachhaltiger werden. Aber wenn sie das nicht tun, könnten sie irgendwann von den Chinesen überholt werden.