ELECTRIC WOW / 26.05.2025.

Hier steht das E für Emotionen

Mit teilweise wahnwitzigen Beschleunigungswerten zeigte die Elektromobilität der neuen Welle (also ab etwa 2008) eigentlich von Beginn an, dass sie nicht nur da ist, um den Planeten zu retten, sondern auch Fahrfreude bereiten darf. Doch ganz ehrlich: Tolle Zahlen auf dem Papier sind das eine, echte Emotionen im Alltag das andere. Und auch ein lustiges Sportkürzel an der Fahrzeugflanke macht noch kein Herzensauto aus einer sonst eher langweiligen Familienkutsche.

Das Flair des Erreichbaren

Klar, um viel Geld kann man sich austoben, eine Zwei-Millionen-Flunder wie der Rimac Nevera wird einem schon ein Grinsen ins Gesicht zaubern. Porsche bietet seinen Taycan ab etwa 105.000 Euro an. Ein bisschen im Konfigurator gespielt oder eine der schärferen Varianten gewählt und über 250.000 Euro wandern vom Konto. Für unsere Ausfahrt laden wir daher die Batterien von Modellen auf, die trotz Leistungen über 500 PS zumindest das Flair des Erreichbaren versprühen und dabei voll auf Stimmung setzen. Die chinesische Marke MG – importiert durch die Denzel-Tochter Asia Car Import Austria GmbH – stellt dafür den Cyberster GT bereit, ganz nach dem Motto „offen und herrlich“. Von Hyundai – die Hyundai Import GmbH ist ebenso im Hause Denzel angesiedelt – stößt die Topversion des retrofuturistischen Ioniq 5 dazu. Als N bietet der Koreaner zur satten Leistung zahlreiche Sport-Gimmicks. Los geht es Richtung Bruck an der Leitha, wo Beppo Harrach auf uns und die beiden Allrad-Kraftsportler wartet. Als Rallyepilot war er Entwicklungsfahrer für Erdgas-Rallyefahrzeuge, ist alternativen Antrieben also vielleicht nicht ganz abgeneigt. Los geht’s, für die erste Strecke nehmen wir mit dem Cyberster das neuere Modell am Markt.

Spektakuläre Show mit Scherentüren

2008 machte Tesla mit dem Roadster richtig Lust auf Elektromobilität, nach den USA bedient nun China das sportliche Frischluftsegment. Europa hatte und hat dem nichts entgegenzusetzen. Beim Cyberster darf man sich über ganz viel Show freuen: Es gibt eine lange Haube, das Logo der 1924 gegründeten Morris Garages, pfeilförmige LED-Blinker hinten und natürlich – Trommelwirbel – Scherentüren! Auch beim Basismodell, das unter 60.000 Euro beginnt, wird für diesen spektakulären Ein- oder Ausstieg gesorgt. Wer sich inszenieren will, für den ist der 4,54 Meter lange MG genau das richtige Spielzeug. Im Cockpit geht der unkonventionelle Zugang weiter: Der Fahrer wird von einer hoch aufragenden Mittelkonsole vom Beifahrer abgekapselt. Auf dessen Seite ragt ein Griff in den Innenraum, der noch einmal klarstellt: Hier dreht sich alles um die Person am Steuer! Insgesamt vier Bildschirme versorgen einen mit Infos, drei davon sind wie ein Tryptichon hinter dem Lenkrad angeordnet. Im ersten Moment ist das alles ein bisschen viel, wenn sich mit der Zeit die Logik dahinter erschlossen hat, surft man wie ein Profi durch die Menüs. Manche beklagen die vom Lenkrad teilweise verdeckte Navikarte, die auf der ungewohnten linken Seite angezeigt wird, doch es gibt im besser einsehbaren mittleren Display zusätzlich eine Pfeildarstellung. Hätte klassischer gelöst werden können, wir verbuchen das unter „Charakter“. Vom Cruisen bis zum Heizen bietet der Cyberster ein fein abstimmbares Spektrum. Vor allem offen bereitet es Freude, dahinzugleiten und den Verzicht auf Motorsound zu zelebrieren. Kein Dach, kein Krach – man wundert sich, warum die Transformation so wenige Open-Air-Modelle hervorbringt. Für ein Elektroauto sind unter zwei Tonnen Leergewicht Applaus wert, der Vergleich mit dem MG TF (letztes von der MG Rover Group gebautes Fahrzeug, lief unter chinesischer Regie bis 2011 weiter) zeigt die Nachteile schwerer Batterien und moderner Sicherheitssysteme: Um die 1.100 Kilogramm leicht waren die viel schwächeren Hecktriebler.

Leckerbissen für E-Sports-Jünger

Keine historischen Bezüge bei Hyundai, dafür gefühlt Hightech bis in die kleinste Ritze. Der Südkoreaner, der sich äußerlich mit sportiven Details von den Grundversionen abhebt, ist ein echter Leckerbissen für die E-Sports-Jünger. Gefühlt tausend Einstellungsmöglichkeiten stehen bereit, um das ultimativ individualisierte Fahrerlebnis herzustellen. Selbst Rennstreckenprofile sind fixfertig hinterlegt, falls sich jemand die Mühe macht, tatsächlich Pisten-Hopping zu betreiben. Wer bei Parkmanövern besonders auf die Felgen achtgeben möchte, findet eine drehbare 360-Grad-Ansicht des Autos auf dem Touchscreen. Auf dem Weg vom Petrolhead zum Strom-Aficionado unterstützt der Hyundai auf Wunsch mit Soundeinlagen, die einem i30 N alle Ehren machen würden, sowie Schaltrucken und Auspuffsprotzen beim Herunterschalten über die Wippen, die einem das Gefühl geben, ein DSG anzusteuern. Das Sitzpaket N Performance muss es zur Abrundung schon sein. Die Schalensitze bieten beste Unterstützung bei der Kurvenhatz, ein beleuchtetes N-Logo macht Lust darauf, einzusteigen. Im Vergleich zum MG gibt es die logischere, übersichtlichere Bedienung, wie sie Hyundai seit Langem bei eigentlich allen Modellen bietet. Reinsetzen, losfahren, passt. Nur wer will, taucht in die weiteren Menüs ein, man muss ja nicht. Ein feiner Punkt, ganz ähnlich wie beim MG: Wer gerade nicht auf Jux und Tollerei aus ist, kann es ganz gemächlich angehen lassen. Die Kids in die Schule führen, mit den Großeltern das Kaffeehaus ansteuern? Überhaupt kein Thema, alles entspannt.

Das Urteil vom Rallye-Profi

Harrach, mit dessen Drift Company man lernen kann, wie ein Rallypilot um einen Kurs zu driften, wartet schon auf die Asiaten. „Auf den ersten Blick sieht der MG sportlicher aus, doch der Hyundai ist vom Fahrgefühl näher an einem Sportwagen dran“, konstatiert der Rallye-Staatsmeister von 2011. „Bei beiden ist die Beschleunigung enorm, da wird einem fast selber übel. Der leichtere MG ist hier natürlich im Vorteil, weil er nicht so viel schleppen muss. Wenn es in die Kurven geht, hat der Hyundai mit den breiteren Reifen und dem niedrigen Querschnitt einen Vorteil.“ Unsere Ausfahrt war im März noch auf Winterreifen, die beim Bremsen – es hatte etwa 18 Grad – natürlich keine gute Performance liefern konnten. Die reine Beschleunigung und die Traktion kommen dagegen gut an. „Die Teile haben null Schlupf!“, meint Harrach, „die ziehen weg wie ein Gummiband, das man auslässt, wirklich beeindruckend!“ Auch die Reichweiten, beide kommen über 400 Kilometer weit, gefallen dem Rallye-Profi. Nur verschätzen darf man sich nicht beim Tempo: „Früher wusste ein Fahranfänger, in welchem Gang er wie schnell ist, so geht einem pronto die Straße aus …“


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